Sonntag, 4. März 2012

Zurück zu den Wurzeln


Auf dem Bild seht ihr eine Goldwurzel auch Golddistel genannt. Sie gehört hier auf Kreta zu den Wildgemüsesorten auch „Chorta“ genannt, die sehr häufig in der Küche eingesetzt werden. Sie werden im Gegensatz zu anderen Wildgemüsen zumeist einzeln genutzt.

Chorta kann man auf dem Wochenmarkt kaufen oder man geht selbst kurz vor die Tür, auf eine Wiese am Dorfrand oder auf den nächsten Berg und sammelt selbst. Früher wurde dies überall auf Kreta sehr häufig gemacht, in den letzten Jahren fast nur in den kleinen Bergdörfern. Dieses Jahr treffe ich jeden Tag auf meinen Streifzügen durch die nähere Umgebung von Rethymno Frauen mit Tüten und auf der Suche nach den schmackhaften Wildgemüsen.


Das es dieses Jahr mehr sind die "Chorta" suchen, liegt denke ich an der momentanen Krise. Die Preise steigen in fast jedem Bereich. Der Benzinpreis liegt im Moment über 1,80 €, die Mehrwertsteuer liegt bei 25 %. Fast alle Lebensmittel sind in den letzten Monaten darüber hinaus  zwischen 10 - 30 % teurer geworden! Das Einkommen jedoch steigt nicht. Der Mindestlohn wurde gesenkt, die Renten gekürzt. 

Ende letzten Jahres wurde eine neue Immobiliensteuer eingeführt - sofort zu zahlen. Das heißt für viele im Dezember und Februar mehrere Hundert Euro extra zu zahlen. 

Auf Kreta, einer Insel die hauptsächlich vom Tourismus lebt, sind im den Monaten in den nicht Saison ist, also von November bis Ende April, sehr viele Leute Arbeitslos und auf "Wintergeld" angewiesen. Dies wird nur fünf Monate gezahlt, obwohl man sechs Monate ohne Arbeit ist. Dieses Arbeitslosengeld wurde gerade um 100 € auf 359 € gekürzt.

Da nun gespart werden muss, versucht man natürlich auch bei den Lebensmittel hauszuhalten.

Während in Deutschland viele Familien, die mit wenig Geld auskommen müssen, sich billige und nährstoffarme Lebensmittel kaufen, geht hier der Trend dahin, sich wieder wie " in alten Zeiten" zu ernähren. Der Fleisch- und Fischkonsum wird eingeschränkt oder es wird auf günstigere Fleischprodukte oder Fische und Meeresfrüchte ausgewichen.

Gerade hat hier die große Fastenzeit begonnen, deren Regeln dieses Jahr meiner Ansicht nach mehr eingehalten werden als die Jahre zuvor. 

Hülsenfrüchte und Nüsse, die schon immer einen größeren Platz im kretischen Speiseplan hatten, als im Deutschen werden jetzt noch mehr genutzt. Rezepte für Frikadellen und Würstchen aus Bohnen, Linsen und Kichererbsen oder Gulasch mit Maronen und Walnüssen haben Hochkonjunktur. 

Gärten werden wieder zum Gemüseanbau genutzt und Wildgemüse vermehrt in der Natur gesammelt.

Hier auf Kreta sind viele Häuser mit Holzöfen ausgestattet. Diese werden nun auch zur Zubereitung der Speisen mitgenutzt.

Seit zwei Jahren ist auch ein Trend zur Stadtflucht zu erkennen. Viele junge Familien ziehen wieder von der Großstadt aufs Land und versuchen in der Landwirtschaft Fuß zu fassen.

Eine griechische Historikerin hat ein Buch erfolgreich auf den Markt gebracht. In "Die Rezepte des Hungers" hat Eleni Nikolaidou Artikel zusammengestellt, die sie in Zeitungen der Kriegsjahre (41-44) entdeckte. Das Buch enthält Rezepte und Tipps, "mit denen man selbst unter schwierigsten Bedingungen eine Familie einigermaßen satt bekommen kann".

Ein weiterer Weg Geld bei Lebensmittel einzusparen ist der neue Trend zur Direktvermarktung griechischer Produkten von den Landwirten. Die großen Lebensmittelketten zahlen so wenig für die Lebensmittel wie zum Beispiel Kartoffeln, dass es sich für die Bauern lohnt sie direkt an die Kunden abzugeben. So haben beide Seiten etwas davon; der Landwirt erhält mehr Geld, als die Großhändler zahlen und die Verbraucher kaufen günstiger als in den Geschäften. Bei Kartoffeln beträgt der Unterschied immerhin pro Kilogramm ungefähr 50 Cent.

Der Trend geht also zurück zu den Wurzeln der früheren (und gesünderen?) Ernährung und Lebensmittelbeschaffung!


Ich erkenne noch nicht so viele Wildgemüse und gehe immer mit einer Chorta-Kennerin ins Grüne. Aber auch ich mache es jetzt wie viele andere hier auf Kreta. Mit großer Tüte, Küchenmesser und Gartenschere gehe ich auf Wanderung quer über die Wiesen und ziehe Wurzeln aus dem Boden.




Jetzt ist die Haupterntezeit der Goldwurzel, einem Gelblühenden Korbblütler.  Man isst die jungen Blätter (von den Dornen befreit) und die Wurzelrinde, da der Kern meist holzig ist.

Goldwurzel wurde früher auch in Deutschland, wie die Schwarzwurzel anstelle von Spargel gegessen. Die Zubereitung recht einfach. Sie wird in große Stücke geschnitten und in Salzwasser ca. 10 Minuten gekocht. So kann man sie als Gemüsebeilage essen oder als Salat -zum Beispiel mit dicken Bohnen, Zitronensaft und Olivenöl- servieren. Oft wird sie in Eintöpfen zusammen mit Fleisch, Fisch oder Meeresfrüchten verarbeitet oder als Püree gegrilltem Fleisch gereicht.

Die Golddistel wurde schon in der Antike gegessen und damals auch in der Medizin verwendet, zum Beispiel in Wein gekocht als Harntreibendes Mittel oder  als Absud gegen Nierensteine, Arthitis, Magen-Darm Beschwerden und Hautprobleme.








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